Winzige Gesten der Annäherung.
"SCHLACHTHAUS / "Black Market International" heisst die achtköpfige Truppe, die das dritte Performance-Festival mit einer dichten, humorvollen Inszenierung eröffnet hat.

Smb. Namenlos und schweigend sind sie auf der Bühne präsent. Sieben Männer, ganz in Schwarz, von eleganten Anzügen über die Sonnenbrille bis hin zu den Luftballons, die einer von ihnen unermüdlich aufbläst. Der achte schlurft später dazu, zwei Harrassen Bier im Schlepptau, mit Stricken an die Fussgelenke gebunden, dazwischen einen Anker, mit einem Seil am nachten Po befestigt. Am Schluss sieht die Bühne farbiger aus, lebendiger, weisse Papiersohlen liegen herum, ein roter Wollknäuel, Kleider, Was aber passiert dazwischen? Unterschiedliche Konzepte "Black Market International" heisst die Performance-Gruppe, die sich vor 15 Jahren formiert hat und zu der acht Künstler aus fünf europäischen Ländern gehören: der Schweizer Norbert Klassen, die Deutschen Jürgen Fritz, Helge Meyer, Boris Nieslony und Marco Teubner, der Holländer Jacques van Poppel, der Finne Roi Vaara sowie der Nordire Alastair MacLennan. Im Programmheft legt jeder Künstler ausführlich dar, was er unter Performance versteht, was "Black Market" für ihn bedeutet. Was aus den Texten hervorgeht, ist jedoch vor allem, dass jeder Beteiligte Performance anders definiert, andere Schwerpunkte setzt und dass gerade das Aufeinandertreffen verschiedenster Konzepte das Wesen dieser Aktionskunst ausmacht. Dennoch macht, was Black Market am Eröffnungsabend von "Bone 3", dem dritten Performance-Festival im Schlachthaus Theater, gezeigt hat, überhaupt nicht den Anschein von Konzeptlosigkeit, vielmehr von äusserster Präzision bis in die kleinste Bewegung, von ungeheurer Konzentration und von der Fähigkeit, humorvolle und skurrile Aspekte hinter der Fassade scheinbarer Alltagsrealität sichtbar zu machen. Da packt zum Beispiel einer einen grossen, knallroten Wollknäuel aus einem Koffer und beginnt den Faden um seinen Kopf zu wickeln. Er wickelt und wickelt und hört auch nicht auf, wenn sein ganzer Kopf in roter Wolle verpackt ist. Ein anderer sitzt nur einfach da und starrt auf ein Blatt Papier. Ein dritter streut mit langsamen, bedächtigen Bewegungen weisse Papierschuhsohlen auf den Boden. Und ein vierter erprobt die spitzen Küchenutensilien, die an Fäden von der Decke hängen - Schere, Messer, Zapfenzieher -, an seinem eigenen Körper aus. Jeder bleibt in fast autistischer Manier nur auf sich selbst und seine momentane Tätigkeit konzentriert. Dennoch entsteht und das ist das Erstaunliche an dieser Performance, gleichsam marginal, vom äussersten Rand der einen Person zur anderen, so etwas wie eine nonverbale Kommunikation, eine minimale Öffnung hin zu den anderen Individuen. Schwierig zu sagen, was wirklich passiert während dieser anderthalb Stunden Performance; dass es "Black Market" gelingt, durch subtile Veränderungen ihrer Versuchsanordnung den Eindruck einer Entwicklung von der totalen Separation hin zu diesen winzigen Gesten der Annäherung, des Interesses am andern zu evozieren, ist jedenfalls hohe Kunst."

Der Bund, Bern, 8.12.2000