Tiere in der Performancekunst
Zusammenfassung

Veröffentlicht: www.kunsttexte.de

Der Mensch projiziert eigene Bildvorstellungen auf das Tier. Er benutzt das Tier, um ihm Symbolwerte zuzuschreiben, die in sein Verständnis von Welt einfügbar sind. Tiere sind dem Menschen oft nah, können seiner Übermacht jedoch nur wenig entgegensetzen: er hat sie sich Untertan gemacht.
Dennoch haben Tiere eigene Verhaltensoptionen, die in der Begegnung mit dem Menschen nicht selten mit dem Begriff "Wildheit" umschrieben werden.
In der Geschichte der Beziehung zwischen Mensch und Tier gibt es Punkte der Berührung und der Abgrenzung, der Bewunderung und der Ablehnung.
In der Performance Art wird die Unberechenbarkeit des Tieres zur Heraus-forderung: Eine vollständige Kontrolle in der Aktion ist nur schwer möglich. Das Tier wird entweder selbst zum Gestalter oder vom beherrschenden Menschen zum reinen Darsteller gemacht. In anderen Fällen verkommt es zum objekthaften Materialträger, der sich kaum vom Unbelebten unter-scheidet.
In einer vergleichenden Betrachtung werden die Motive verschiedener Performancekünstler in Bezug auf die Verwendung von animalischen "Ko-Performern" untersucht. Das Spektrum reicht von der bewundernden Unter-ordnung (Joseph Beuys) über die Ausweidung (Hermann Nitsch) bis hin zur ökologischen Studie (Mark Thompson).
Bei vielen Performern werden echte Kommunikationsversuche mit lebenden oder toten Tieren unternommen: Boris Nieslony arbeitet mit Vögeln, ebenso Rose Finn-Kelceys. Es wird versucht, ein Kontakt mit den Tieren herzu-stellen, der nicht von einer Benutzung der Tiere als Material sondern von der Bereicherung der eigenen Ausdrucksweise als Künstler angespornt ist.
Der vorliegende Text hat nicht den Anspruch, eine Wertung vorzunehmen. Er folgt keiner gradlinigen Argumentationsstruktur, sondern beleuchtet schlag-lichtartig verschiedene Aspekte des Vorkommens von Tieren in der Aktions-kunst. Es handelt sich um eine Sammlung von Materialien, die den Varia-tionsreichtum in der Bildsprache der Performance Art in Bezug auf die Ver-wendung von Tieren widerspiegeln soll. Ich habe den Text in assoziative Abschnitte unterteilt, die durch Zwischenüberschriften gekennzeichnet sind und dadurch jeweils einen übergeordneten Gedanken als Betrachtungsweise der nachfolgenden Beschreibungen anbieten sollen.

Material oder Partner ? - Das Tier und die Performance Art

Innerhalb der Performance Art tritt das Tier sowohl als unkontrollierbarer Faktor, als auch als ästhetisches Objekt oder als "vermenschlichtes" Subjekt auf. Es gibt jedoch keine einheitliche Verwendung des Elements "Tier" in der Aktionskunst. Vielmehr zeugt der Umgang mit Tieren von der jeweiligen Grundposition des Künstlers zum "wilden" Mitgeschöpf. Ein Tier im Namen der Kunst zu töten gilt fast immer als Scharlatanerie, als Frevel. Das Schlachten von Nutztieren, die quälenden Tiertransporte und die artfremde Massentierhaltung lösen hingegen weitaus weniger Empörung in der Bevölkerung aus.
Wo tritt also der "vernünftige Grund" für die Wahl von Tieren als Material ein? Wer bestimmt wann ein Tier leidet und wann es sich "artfremd" verhalten darf?
Und selbst wenn der Fall eindeutig liegt und ein Tier zu "Schaden" kommt, muss die Formulierung unangenehmer Tatsachen oder gesellschaftlicher und ökologischer Mißstände nicht oft mit einem gewissen Preis bezahlt werden?
Die Performance Art und ihre Vertreter stellen hier, wie auch grundsätzlich, Fragen ohne eine eindeutige Beantwortung derselben gewährleisten zu können. Das Tier als Material, als gleichberechtigter Partner oder als Symbolträger löst Diskussionen und Betroffenheit aus.
Zunächst einige grundsätzliche Definitionen zur Performance Art: Die Kunst-form ist nur imstande ephemere Bilder im "Durchgang" zu produzieren. Live entsteht ein lebendes Bild vor Publikum, wobei die Elemente seines Schaffungsprozesses den Anwesenden während der Dauer der Aktion zugänglich sind. Eine Probe der Arbeiten, wie im Theater, oder gar eine langfristige "Speicherung" des Bildmaterials steht nicht im vordergründigen Interesse der meisten Künstler.
Tiere lassen sich jedoch nur bis zu einem gewissen Grad kontrollieren. Ihr Verhalten unterscheidet sich insofern vom Menschen, als dass ihnen keine exzentrische Positionalität möglich ist. Sie können sich nicht von außen betrachten, sich innerlich empfinden und einen Blick auf die Welt werfen. Sie agieren in Strukturen, die ein Überleben ermöglichen, ohne sich als Subjekt zu verstehen.
In den Aktionen der Performer bekommen die Tiere auf der einen Seite einen zeichenhaften Charakter: sie stehen als Symbole für bestimmte Inhalte. Als ein Beispiel sei hier der Koyote aus Beuys Aktion "I like America and America likes me" (Galerie Rene Block, New York, 1974) genannt. Nach Aussagen des Künstlers, steht das Wildtier für die amerikanischen Urein-wohner und ihr einvernehmliches Leben mit der Natur.
Ihre Verhaltensweisen werden andererseits als Repräsentationen für menschliche Eigenschaften benutzt (wie die Elster in Rose Finn-Kelceys "One for Sorrow, two for Joy", Acme Gallery, London, 1976, in welcher sie nach Aussagen der Künstlerin für Unberechenbarkeit und launisches Verhalten steht).
Schon in frühesten Kulturen verwendete man Tiere in rituellen Handlungen, beispielsweise in den Brandopfern der Griechen, welche in der "Odyssee" von Homer beschrieben werden, in Voodoo - Ritualen oder in Opferritualen der Ägypter. Einige Performer, wie Hermann Nitsch in seinem Orgien Mysterien Theater, beziehen sich in ihren Arbeiten eindeutig auf diesen Umstand. Mit der Domestikation veränderte sich diese Beziehung zum Tier: Nutztierhaltung, u.a. zur Nahrungsmittelproduktion, entsteht. Das Tier wird zum Begleiter und Schoßtier wie z.B. der Hund oder zum Arbeits- oder Transporttier, wie Pferd oder Esel.
Im nun folgenden Abschnitt meines Textes werde ich anhand von kurzen Einzelanalysen das Auftreten der Tiere innerhalb der Performance Art darstellen.

Organisches Material?
Bei Rudolf Schwarzkogler, einem Vertreter der Wiener Aktionisten, ist das Tier "Material". Es tritt als toter Leib auf (Fisch, Huhn) und symbolisiert verdrängte, oft sexuell besetzte Elemente gesellschaftlicher Tabus: Durch eindeutige Schamverletzungen wie die Verbildlichung von Kastrations-phantasien, wenn Schwarzkogler beispielsweise seinem Fotomodell einen Fischkopf mit weit geöffnetem Maul zwischen die Beine plaziert ("3.Aktion", Wien, 1965), sollen schockartige Reaktionen beim Publikum Grenzen berühren und erweitern. Trauer, Verlust und Isolation tauchen als mögliche interpretatorische Bezugspunkte auf, wenn in der selben Aktion mit einem toten Huhn gearbeitet wird: Es wird an ein Seil gebunden, gedreht und gewendet und mit einer leuchtenden Glühbirne untersucht. Das Tier gehört hier zum Arsenal der beunruhigenden, von Verfall geprägten Materialien. Vom bereits leblosen, objekthaften Körper bei Schwarzkogler ist es auf den ersten Blick ein großer Schritt zu den blutigen Aktionen eines anderen Vertreters des Wiener Aktionismus, Hermann Nitsch. In Bezug auf den Versuch, Tabugrenzen innerhalb der österreichischen Gesellschaft der 60er Jahre zu berühren, wenn nicht gar zu sprengen, ähneln sich die Verwen-dungen von tierischem Material jedoch.
Bei Nitsch stehen Schlachtungen, Kreuzigungen und Ausweidungen von Tieren im Vordergrund seiner Aktionen. Er orientiert sich in seinem "Orgien-Mysterien-Theater" sowohl an der Opfergeste von Ritualen als auch an der katholischen Liturgie. Nitsch will in seinen "Abreaktionsspielen" eine kathar-tische Befreiung von kulturellen Hemmnissen in Akteuren und Publikum hervorrufen:
"Ich werde mich durch Aktionen psychisch und physisch in Erregung versetzen und zum Urexzesserlebnis durchdringen. Ich beschütte, bespritze, besudle die Fläche mit Blut und wälze mich in den Farblachen. Ich lege mich angezogen in ein Bett, es werden mir Gedärme, zerfleischte Kuheuter, Haare, heisses Wasser unter die Tuchent gestopft und geschüttet.[...] Ich hänge das tote Lamm an die Kellerdecke, lasse es durch den Raum schaukeln, schlage mit einer Klampfe nach dem Kopf des Tieres[...]" (Hermann Nitsch in: Elisabeth Jappe: Performance Ritual Prozeß, München-New York, Prestel Verlag 1993, S.194).
Angesichts der historischen Position von Nitsch, erscheint es ungewöhnlich, dass eine Gruppe junger Künstler sich einer ähnlichen Bildsprache bedient: Aktuell arbeitet die Gruppe Non Grata aus Estland auf ähnliche Weise mit Tierkadavern wie die Wiener Aktionisten. In ihren Arbeiten, die über mehrere Stunden oder gar Tage gehen können, spielt die Verwesung und Verän-derung der Tierleiber eine sinnliche Rolle: der Performanceraum beginnt auch auf der geruchlichen Ebene eine Veränderung zu erfahren, einen Prozess zu durchlaufen. Doch auch hier scheint das Tier als Lebewesen eher keine Rolle zu spielen, es reiht sich in die "unbelebten" Materialien ein und erhält einzig durch seinen biologischen Verfallsprozeß eine besondere Stellung gegenüber den übrigen Objekten ihrer Aktionen: Gerüche und Verwesungsprozesse werden als bildverändernde Elemente in die Performancearbeit einbezogen.

Tiere als Symbol
Der in Nordirland lebende Schotte Alastair MacLennan benutzt Tiere als Zeichen oder als Symbol. Zwar handelt es sich, ähnlich wie bei Schwarz-kogler oder Nitsch, ausschliesslich um Kadaver oder einzelne Körperteile von Tieren. Der Respekt und die Bedeutung, die ihnen als Material beigemessen wird, erhebt sie jedoch aus ihrem puren Objektstatus. Sie verweisen auf einen symbolischen Mehrwert und werden demnach auch mit dem Bewußt-sein um diese Wertigkeit berührt und bewegt. Es findet eine tatsächliche Begegnung statt.
In einer Aktion bewegte sich MacLennan 7 Stunden lang nackt durch die Gebäude des Triskel Arts Centre in Cork. Sein Kopf, seine Hände, Füße und Genitalien waren mit schwarzem Pigment gefärbt. Über seiner Wirbelsäule hingen tote Fische. In seinen gefesselten Händen hielt er einen Besen, den er hinter sich herzog. An den Wänden waren ebenfalls tote Fische aufge-hängt. Für den Performer symbolisiert der Fisch nach eigenen Aussagen sowohl die christliche Religion, als auch die ökologische Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt. Die Nichtbeachtung, die MacLennan während seiner Aktion den Fischen zukommen liess, wurde kontrapunktiert durch die Tatsache, dass die Fische an seinem Körper quasi sein "Rückgrat" bildeten. Ein Bild von Verletzlichkeit und Ausgeliefertsein paarte sich mit dem Eindruck, der Künstler übernehme mit seiner Aktion eine Art "Sündenbock"-Funktion, um auf den Verlust der verantwortungsvollen Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt hinzuweisen.
In anderen Arbeiten wie "Healing Wounds" (1983) benutzte MacLennan Schweineköpfe in einem ehemaligen Hospital. Er plazierte die Kadaver in Krankenhausbetten und bewegte sich selbst, zwei Türen tragend, durch die leeren Gänge. Mit seinen Füßen schob er ein Waschbecken vor sich her. Die sinnlose, körperlich mühsame Aktion in Verbindung mit den Tierköpfen auf den Betten hinterliess eine Atmosphäre des Horrors. Slavka Sverakova dazu: "Pig heads were on bedsprings in private rooms, representing horrific victimized oppression. The inappropriateness of objects for the job, e.g. heavy doors as walking supports, presented an idea of senseless activity, of humans being pushed and pulled by false concepts and precepts. The self-inflicted suffering consequently represented a cognitive handicap, that of not realizing real relationships. Although the title "Healing Wounds" is ambigous, the ambiguity is deliberate: healing can wound and wounding can heal." (Alastair MacLennan: "Is No. 1975-1988", edited by Stephen Snoddy, Arnolfini, Bristol: 1988, S.79)
Meiner Meinung nach schafft MacLennan mit der Verwendung der Tierkörper eine zusätzliche Spannung. Nie entsteht der Eindruck, er benutze die Leiber als schockierendes Material. Vielmehr entwickelte der Performer eine eigen-ständige Bildsprache, aus welcher die animalischen Elemente mit ihrer Symbolkraft nicht mehr herauszulösen sind.
Joseph Beuys ging in der Aktion "I like America and America likes me", auch bekannt als "Coyote", einen gänzlich anderen Weg: Ein lebendes Tier in seiner ihm eigenen Verhaltensoriginalität wurde als Maßstab für eigenes Verhalten gesetzt. Beuys Unterordnung unter die Verhaltensweise des wilden Coyoten, mit dem er mehrere Tage im Ausstellungsraum zusammen-lebte, drückte ein neues Verhältnis zum Tier in der Performance aus: Es wurde Subjekt, dessen natürliches Agieren nicht nur dem Menschlichen gleichgestellt, sondern sogar als Mehrwert erhoben wurde. Beuys sah in dem Coyoten die Ursprünglichkeit Amerikas verkörpert: Er gilt bei den Urein-wohnern als Totemtier. In der Aktion versuchte Beuys, nach eigenen Aus-sagen, mit dem Tier zu kommunizieren und sich den tierischen Tages-abläufen von Nahrungsaufnahme und Ruhezeiten anzupassen.
In der Aktion " Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt" (Galerie Schmela, Düsseldorf, 1965) ging Beuys mit einem Hasen im Arm und vergoldetem Kopf durch die Galerie Schmela in Düsseldorf und zeigte dem Tier die Kunstwerke, während er mit stummen Mundbewegungen zu ihm sprach. Für Beuys symbolisierte der Hase sowohl Erdverbundenheit als auch Geburt und war Zeichen für die Inkarnation. Tiermotive stellen für Beuys Synonyme für die gesamte Natur, für die organische Einheit von Leben und Natur dar. Er stellte somit in und mit seinen Aktionen ein, durch wissen-schaftlichen und technischen Fortschritt geprägtes, Weltbild in Frage und unterstrich diesen Willen auch in seiner Pädagogik.
Andere Künstler versuchten mit der Verwendung von Tieren eher, die Musealisierung von Kunst ironisch zu hinterfragen: Janis Kounellis brachte 1969 zwölf lebende Pferde in einen Ausstellungsraum in Rom. Er bezeich-nete dies als "Dramatisierung" der Malerei. Das Tier wurde hier als sinnliches Material verwandt. Mit der Installation bewegt sich Kounellis allerdings im Grenzbereich der Performance: es gab keine performative Handlung inner-halb dieser Konzeption.

Risiko
Anders verwendet Zbiegniew Warpechowski einen Fisch in einer seiner Performances. In der Aktion senkt der Performer den Kopf in ein mit Wasser gefülltes Aquarium, während ein zappelnder, nach Luft schnappender Fisch neben ihm auf dem Tisch liegt. Beide befinden sich somit in lebensgefähr-dender Umgebung. Würden Fisch und Performer in der tödlichen Umgebung verharren, würde unweigerlich der Tod für beide eintreten. Der Performer riskiert sein Leben parallel zum Tier, welches er der Aktion jedoch ungefragt aussetzt.
Hier kommt erstmals eine Frage nach der Moral innerhalb der Verwendung von Tieren in der Performance zum Tragen: Tiere können nicht gefragt werden, ob sie Partner in einer künstlerischen Äußerung sein wollen. Somit, könnte man argumentieren, bewege sich die Performance auf dem selben Grad wie die Nutztierhaltung: das Tier wird hier eben zur Produktion eines Bildes "gebraucht", zur Stillung eines "künstlerischen Appetits". Oder ist es legitim, zur Steigerung eines Kommunikationswillens andere Lebewesen zu benutzen? Es handelt sich bei diesen Fragen um moralische Grundan-nahmen, die meiner Meinung nach individuell beantwortet und diskutiert werden müssen.
Zuschauer einer Performance der Schweizerin Pascale Grau zeigten offene Ablehnung, als sie 40.000 Marienkäfer benutzt, um sich ein Kleid aus Käfern anzulegen. Viele der Tiere kommen bei der Aktion um. Ihr wird von einigen Zuschauern vorgeworfen, sie habe keinen Respekt vor den Tieren.
Jan Mloch will in der Aktion "Zig-Zag-Wiggle-Waggle" (1975) einige Würmer an seinem Körper auf einer Reise transportieren. Er installiert Vorrichtungen an sich, um die Tiere mit Nahrung und Flüssigkeit zu versorgen, doch keines der Tiere überlebt. Der Künstler selbst zeigt sich darüber erschüttert. Ihm ging es um den Versuch, die Tiere in engen Kontakt mit seinem Körper zu bringen und menschlich geschaffene (Landes-) Grenzen mit ihnen zu überwinden. Auch dieses Experiment scheiterte zu Lasten der Tiere.

Echte Partner
Wie bereits in Ansätzen erwähnt, gibt es andere echte Annäherungsver-suche: Boris Nieslony bemüht sich um eine Kommunikation, in deren Verlauf er den Tieren mehr und mehr Raum lässt. (Eine Performancebeschreibung des Künstlers, mir als E-mail des Künstlers vom 25.09.03 vorliegend): "Israel. Drei Käfige, einer leer, zwei voll mit Singvögel. Größe: etwa 250cm breit, 250cm hoch und ca.150cm tief. Ich beginne mit Modulation in der Stimme und laut Hiob aus der Bibel vorzulesen. Parallel und relativ leise aus einem Taperekorder kommt die Übersetzung in Hebräisch. Erst sind die Vögel laut und aufgeschreckt, ein Geschrei. Ich werde leiser bis ich irgendwann zum tonlosen Sprechen komme, während die Vögel mehr und mehr in das Singen fallen, während ich nur noch die Lippen bewege."
Eine poetische, vielschichtige Arbeit, in welcher den Vögeln die Dominanz der Dynamik zugesprochen wird: ihr verstärktes Singen führt zum Ver-stummen des Performers.
In Mexico City 2003 arbeitete Nieslony erneut mit einem Vogel, diesmal einem Hahn, und versuchte ihm, eine Einführung in das Buch "Knoten und Bund" von Luis Mariano de la Maza zu geben und dort im Besonderen die "Bewußtseinsbestimmte Gegenständlichkeit", orientiert an Hegels Phäno-menologie des Geistes. Über einen mehrtägigen Zeitraum begleitet der Hahn ihn, und "ich den Hahn", wie Nieslony beschreibt (E-mail vom 25.09.03).
Der Versuch, eine philosophische Kommunikation mit einem Tier zu be-ginnen, lässt auf der einen Seite eine ironische Deutung, aufgrund der offensichtlichen Unfähigkeit des Tieres in menschlicher Sprache kommunizieren zu können, zu. Er sagt aber auf der anderen Seite etwas über die Möglichkeit aus, einem Tier einen gleichen Wert zuzuschreiben, wie ihn ein intellektuelles, menschliches Gegenüber verdient. Tiere sind für Nieslony offensichtlich keine "seelenlosen Maschinen", wie Descartes sie beschrieb.
Nieslony bemüht sich in seinen Kontakten zu den lebenden oder toten animalischen Wesen um ein Höchstmaß an Respekt. Zuweilen erinnern seine Arbeiten dabei an magische Rituale:
Eine weitere Beschreibung einer Performance von Nieslony (Juni 2003 in Merida, Mexico): "Eine Zusammenarbeit mit Alastair MacLennan. Er hatte Fische und Hühnerteile und ich hatte zwei tote Singvögel, die ich an zwei Schnüre hängte, die ich wiederum an zwei Stöcke band. Ich kann die Performance nicht beschreiben, sie hatte Magie. Mir ging es um eine Annäherung an die Vögel, als wenn ich sie aus einem Traum aufwecken wollte, das sie wieder leben und fliegen. Als ich mal unter den beiden Vögeln lag, kamen zwei Vögel von draußen hereingeflogen, sausten etwas herum und verschwanden wieder." (Aus einer E-mail vom 25.09.03)
Rose Finn-Kelceys arbeitete, ähnlich wie Nieslony, mit Vögeln. In der Aktion "One for Sorrow, two for Joy" (Acme Gallery, London, 1976) verbrachte sie zwei Abende mit einer lebenden Elster in einer Galerie. Sie versuchte, sich dem Vogel auf verschiedenste Weise zu nähern, bot ihm Futter an und wandte sich in seiner eigenen Sprache an ihn.
Die Performerin hatte sich bereits vor dieser Aktion mit der Elster identifiziert, die, dem Volksmund nach, als launisch und unberechenbar gilt. In der Aktion war Finn-Kelceys auf der Suche nach echter Kommunikation (ähnlich wie Beuys in seiner Coyote - Arbeit). Hierbei wurde dem Vogel eine Identität zugesprochen, welche die Meisterschaft des Künstlers zugleich in Frage stellte: wer ist der "Hauptprotagonist" der Arbeit? Elster oder Performer? In jedem Fall kann auch in dieser Aktion von einer respektvollen, ja gleich-berechtigten "Zusammenarbeit" mit dem animalischen Ko-Performer gesprochen werden.
Marina Abramovic nutzt Tiere vielmehr als Stellvertreter, um spezifische Aussagen zu treffen. Eines ihrer beliebtesten Tiere ist die Schlange. Als ältestes Symbol verkörpert die Schlange im positiven Sinn die Erschaffung des Universums. Erst später wurde ihr durch die christliche Metaphorik die negative Konnotation der Vertreibung aus dem Paradies zugeordnet.
Abramovic will in Arbeiten wie "Three" (mit Ulay) und "Dragon Heads" den Schlangen ihre ursprünglich positive Assoziation zurückgeben und die Furcht vor diesen Tieren überwinden.
In "Dragon Heads" (u.a. 1990 in Edge Festival, Glasgow und 1992 im Kunst-museum, Bonn) sitzt die Künstlerin bewegungslos auf einem Stuhl und lässt bis zu 5 Pythons und Boas über ihren Körper kriechen. Während der Performance bewegen sich die Schlangen (angeblich entlang der Energie-linien) über Abramovics Körper. Die augenblickliche Stimmung der Künstlerin überträgt sich sofort auf die Tiere. Ist sie nervös, läuft sie Gefahr, von den Würgeschlangen getötet zu werden. Hier, wie in vielen anderen Arbeiten von Abramovic, steht der Körper und die Kommunikation mit demselben im Vordergrund. Der Verzicht auf die Verantwortung für das eigene Wohl-befinden und die Übertragung dieser Verantwortung auf die Schlangen, zeugt von Risikobereitschaft und großem Vertrauen gegenüber den Mitgeschöpfen.
Als die Künstlerin während einer Performance tatsächlich unkonzentriert ist, und die Schlangen beginnen, sie zu würgen, verhindert Abramovic den Abbruch der Arbeit und bringt die Tiere selbst wieder durch präzise Konzentration unter Kontrolle.
In "Three" (Wiesbaden, 30. November 1978), mit ihrem damaligen Partner Ulay, kommunizieren die beiden Performer durch das Blasen in eine Flasche mit einer frei herumkriechenden Schlange. Durch den Einfluß der Schwingungen, die durch einen Stahldraht zu dem Tier übertragen werden, entscheidet sich das Tier für eine der Geräuschquellen.
Barbara Sturm ordnet sich in ihrer Performance "wartend gehen" (28.06.-09.07.2003, Zürich im Außen- und Innenraum) der Geschwindigkeit einer Schildkröte unter. Jeweils eine Stunde pro Tag folgt Sturm dem Schildkröten-männchen durch den Stadtraum und läßt das Tier dabei Tempo und Richtung bestimmen. Mit einem Hinweis auf die Kultur des "Flaneurs", einem Spazier- und Müßiggänger zu Beginn des 19. Jahrhunderts, durchbricht Sturm die Hektik und Ergebnisorientiertheit unserer Zeit und findet ein starkes Bild für die "Entschleunigung". Diese Arbeit ist nur mit und durch den tierischen Partner möglich. Barbara Sturm nimmt die Schildkröte in ihrem artspezifischen Verhalten ernst und richtet die Kunstaktion darauf aus.

Speisungen
In anderen Aktionen spielen Hunde, die wohl engsten Lebenspartner des Menschen in der tierischen Spezies, eine Rolle: Zhang Huan aus China legte sich während der Performance "Pilgrimage - Wind and water in New York" (New York, 1998) nackt auf ein Bett aus Eis, und eine Anzahl von Hunden war an das Gestell geleint. Der Künstler unterstrich mit der Aktion die "Gefühlskälte", der er nach seiner Übersiedlung in die USA begegnet ist. Seiner Ansicht nach kümmern sich die Bürger New Yorks mehr um ihre Hunde als um ihre Mitmenschen. Für den Chinesen war der Bruch zwischen seiner Heimat und der amerikanischen Kultur extrem groß.
Lee Wen, ein Performer aus Singapore, bedeckt seinen Körper in einer Aktion (1995 in Düsseldorf) mit Hundefutter und lässt zufällig im Publikum anwesende Hunde von seinem Körper essen. Der Künstler wurde hier zum Objekt und liess die Tiere, ihrem artgerechten Verhalten nach, Subjekt der Aktion sein.
Das Motiv der Speisung tritt auch in anderen Arbeiten von Zhang Huan auf: In "Seeds of Hamburg" (Hamburg, 2002) begibt sich der Künstler in einen Taubenschlag und bedeckt seinen nackten Körper mit Körnern. Die Tiere fliegen auf ihn und nähren sich von seinem Leib: Eine christliche Metapher auf der einen Seite, auf der anderen Seite auch ein nekrophiles Bild.
In seiner Performance "12 Square Metres" (Peking, 1994 bestreicht Huan seinen nackten Körper mit Honig und Fischmehl und begibt sich in eine öffentliche Toilette in seiner chinesischen Heimat.
Aufgrund der unhaltbaren hygienischen Umstände lassen sich Hunderte von Fliegen auf seinem Körper nieder und fressen die Substanzen. Huan wollte mit dieser Arbeit auf den politischen Mißstand der Gemeinschaftstoiletten in Peking hinweisen. Mit winzigen Abweichungen (der Nacktheit und den Flüssigkeiten auf dem Körper) gelingt Zhang Huan ein bildintensiver Kommentar.

Metaphern des Verfalls
Einen ästhetisch ähnlichen Weg ging Ben d´Armagnac in einer Performance in Amsterdam im Jahr 1974: Der Künstler befand sich in einer Box, die er mit weisser Farbe "undurchsichtig" gemacht hatte. Während der Aktion kratzte der Künstler die Farbe von innen von der Box. Die Sicht wurde so auf den hockenden Performer freigegeben, der von Fliegen bedeckt war. Die Insekten liessen sich immer wieder auf eine blutige Wunde an seinem Arm nieder. Ein beängstigend existentielles Bild, das an Verwesungsprozesse erinnert und für das Publikum sicher eine nahezu unerträgliche Intensität bekam.
Auch Gina Pane benutzte die Assoziation der Verwertung des menschlichen Fleisches durch Insekten bzw. ihre Verpuppungen: In "Death Control" (Galerie Diagramma, Basel, 1974) lässt Pane Maden über ihren Körper kriechen. Die Tiere, die sich von Panes Fleisch nährten, symbolisierten das Lebens als Prozeß in einem Zeitkontinuum. Pane wollte, nach eigenen Aussagen, gegen das Tabu des Todes verstossen, der in unserer Gesell-schaft als intolerabler Akt gilt. Für die Künstlerin beginnt der Dialog mit dem Tod zum Zeitpunkt der Geburt (auf einem Video war während der Aktion ein Kindergeburtstag zu sehen). In ihrer Arbeit spiegelte sich für Pane eine erhöhte Aufmerksamkeit für diesen Zusammenhang wider. Die Maden sind hierbei das eindeutige Symbol des Verfalls des Fleisches. Dieser beginnt quasi mit dem Moment der Geburt.
Ähnlicher Mittel bediente sich Yann Marussich aus der Schweiz. Er lag unbeweglich hinter einem waagrechten Schaufenster in einem Ameisen-
haufen. Marussich versteht seine Performance als Annäherung an die Erfahrung des Todes.

Ökologische Studien am eigenen Leib
Auf andere Weise benutzte die Engländerin Kira O`Reilly die natürlichen Ernährungsgewohnheiten einer Spezies für ihre künstlerische Arbeit: Die Performerin liess sich 1998 zwei Blutegel auf den nackten Rücken setzen. Sofort begannen die Tiere, sich mit dem Blut der Künstlerin vollzusaugen. In einem Interview bezieht O`Reilly die Nutzung der Egel auf das viktorianische Zeitalter, in welchem Frauen, die angeblich unter Hysterie litten, die Egel angesetzt wurden, um sie zu heilen. O´Reillys Interesse geht in dieser Arbeit jedoch in zwei Richtungen: auf der einen Seite interessiert sich die Künstlerin für den Prozess des "Markierens" (leaving marks on the body) des eigenen Körpers durch das Öffnen der Haut. Auf der anderen Seite spielen Fragen von Geschlechtsidentität, Missbrauch und Passivität eine wichtige Rolle in ihren Performances. Der Rückgriff auf eine historische, damals durchaus gängige, Therapiemethode hat somit auch eine kritische und verstörende Komponente.
Werner Klotz arbeitete über Jahre hinweg mit Schnecken: er liess sie so lange über ein im Wasser liegendes Korkenstück kriechen, bis das einseitig abgerundete Stück kippte und die Schnecken auf der anderen Seite wieder Halt fanden. In einer anderen Aktion traten Tänzer in einer gemeinsamen Choreografie mit den Schnecken auf, wobei sich die Menschen von den Bewegungen der Tiere leiten liessen. Klotz kennt sein "Material", dem er jedoch absolute Eigenverantwortung zugesteht, wie die Konzeption der hier beschriebenen Arbeiten zeigt.
Mark Thompson arbeitet mit lebenden Bienenstöcken. In seinen Installa-tionen mit dem Projekttitel "Live-In Hive" (seit 1976) begibt sich der Künstler in eine gemeinsame Lebenssituation mit den Bienen. Er konstruierte einen gläsernen Bienenstock, in den er seinen Kopf einstecken konnte und der so konstruiert war, dass er 21 Tage darin leben konnte. Die Tiere hatten freien Zugang zu dem Kasten und konnten so in Beziehung zum Kopf des Per-formers ihren üblichen Verhaltensweisen folgen. Für Thompson versinn-bildlichen die Bienen die Energie, die in einer Verbindung von Raum, Sonne und Leben entsteht. Die Arbeit ist nicht als reine Performance zu verstehen, da sie nicht direkt als Aufführung vor Publikum entworfen wurde. Vielmehr handelt es sich bei "Live-In Hive" um ein Forschungsprojekt eines künstler-isch aktiven Bienenzüchters, dessen Leben auch ausserhalb einer perfor-mativen Präsentation dieser Arbeit eng mit den Bienen verknüpft ist. Mark Thompson nimmt damit sicher eine Sonderstellung unter den Performern ein die mit Tieren arbeiten und kommunizieren.
Das Thema des Kommunikationsversuches mit der anderen Spezies zieht sich durch viele der bereits beschriebenen Arbeiten. Obwohl auch hier kein Urteil über das Wohlbefinden der Tiere abgegeben werden kann, muß doch dem Begriff des Mißbrauchs in einem Großteil der Fälle widersprochen werden.

Missbrauch oder Identifikation?
Anders verhält es sich unter Umständen in den folgenden Performances: Beate Ronig aus Köln benutzte während eines Festivals in China (Second Open Art Platform, 2001) einen lebenden Fisch und führte sich das Tier in ihrer Performance in die Vagina ein. Am Fisch war ein Telefonhörer befestigt und die Künstlerin führte ein fiktives Telefonat mit dem Tier in ihr.
Mit ähnlich sexuell gefärbten Konnotationen arbeitete der Russe Oleg Kulik in "Deep into Russia" (1993). Der Performer steckte seinen Kopf vor acht geladenen Gästen in die Vagina einer Kuh. Nach Aussagen des Künstlers ein Versuch, sich mit der Wiedergeburt und der Realität auseinander-zusetzen:
"I have closed the theme of reality for myself. For the time being, at least. Just as Malevitch closed the theme of painting with his Black Square. Inside the cow I realised that there is no reality, and that means that reality is still to be discovered." (Oleg Kulik in: Art Animal, edited by Jonathan Watkins and Deborah Kermode; Ikon Gallery, Birmingham 2001,S. 72).
Kulik ist derjenige Künstler, der sich mit dem Tier in der Performance sicher auf intensivste Art und Weise auseinandergesetzt hat. In unzähligen Arbeiten ist Kulik selbst zum "Art Animal" mutiert. Er hat sich bewußt auf alle Viere niedergelassen und jegliche menschliche Kommunikationsweise abgelegt, um das Feld des Anthropozentrismus zu verlassen:
"Anthropomorphism has exhausted itself. Can man forecast earthquakes like a small aquarium fish? Can he smell like a dog, be lithe like a cat? Does he know the secret harmonious social life like that of an ant or a bee? No. Besides that, an animal cannot lie, pretend, deceive and cower." (Oleg Kulik in: s.o., S.7)
Für Kulik sind die Performances, in denen er als "Hund" sogar brutale Beiss-attacken gegen das Publikum startet, ein Zeichen der Krise der zeitgenössi-schen Kultur. Für ihn ist die Menschheit zu einem Ende gekommen:
"I began to look for some basis outside humanity. But super-humanity for me is our bestial nature, which doesn´t need any explanation from the outside." (Kulik in: s.o. , S. 44)
In "Meet my boyfriend Charles" (1994) stellte Kulik der künstlerischen Elite Moskaus seinen Ziegenbock Charles als "boyfriend" vor und zelebrierte nackt mit ihm Aktionen mit sodomistischen Zügen. In "Missionary" (1995) stieg Kulik zu Karpfen in ein Plexiglasbassin und erteilte ihnen die Abso-lution. Nach der Arbeit im eiskalten Wasser glich Kulik selbst einem Karpfen: Er schnappte nach Luft und weigerte sich zu sprechen.
In der Arbeit "I can not keep silence any more" (Straßbourg, 1996) bezieht sich Kulik auf Tolstoi, der unter dem selben Titel gegen die Exekution russischer Bauern protestierte. Kulik, der bereits eine Partei der Tiere gründete, kroch auf allen Vieren vor das Europa-Parlament in Straßbourg und zog ein Kalb hinter sich her, welches eine britische Flagge auf dem Rücken trug. Sein Protest richtete sich gegen den Genozid an englischen Kühen:
"Any violence destroys our idea of democracy. The repression of "lower" classes has usually led to social cataclysms. The repression of "lower" species will lead to global biological catastrophe. I will bark as a mad dog, because I know that if no one stops the genocide of English cows I will be next. Then you, for shure." (Oleg Kulik in: s.o., S.76)
Kulik lebt seine Identifikation mit den "niederen" Spezies aufs Radikalste. Anklagen und Haftstrafen ziehen sich durch seine künstlerische Karriere. Provokativer Schachzug, um in der übervölkerten Kunstszene eine Position einnehmen zu können oder tatsächliches Interesse an den Tieren als Mit-geschöpfe?

Das Tier als Opfer?
Auch Wolfgang Flatz Arbeit, bei welcher er 2001 in Berlin eine eigens hierfür getötete Kuh aus einem Helikopter fallen liess, während er selbst nackt an einem Kran hing und Walzerklänge zu hören waren, stellt die Frage nach der Angemessenheit: Ist die Aktion moralisch vertretbar als künstlerische Äußerung oder gar als Kritik an bestehenden Missständen? Oder ist sie unwürdig in Bezug auf das Tier als Lebewesen? Juristisch bewegte sich Flatz auf gefährlichem Gebiet: Wird ein "Wirbeltier ohne vernünftigen Grund" getötet, gilt der Straftatbestand. Künstlerische Freiheit muß sich somit juristisch eindeutig dem Tierschutz unterwerfen.
In China kam es bei dem "Second Open Art Platform Festival" 2001 aus ähnlichen Gründen zum Eklat: Der chinesische Künstler Zhu Yu wollte einem Schwein unter Narkose das Herz herausoperieren, anschließend das schlagende Herz in der Hand halten, um es später wieder in den Leib des Schweines zurückzuführen.
Als das Tier bei der Aktion verstirbt, kommt es zum Tumult unter den Zu-schauern. Kritik wird laut an der "Verwendung" des Tieres als Material. Obwohl die Tötung des Tieres nicht intendiert wurde, wird dem Künstler ein amoralisches Verhalten von einigen Performern vorgeworfen.
In einer vorangegangenen Aktion hatte sich Zhu Yu ein Stück Haut aus dem Bauchbereich entfernen lassen und dieses Hautstück einem Schwein an den Bauch genäht. Das Stück Haut des Schweines hingegen, liess sich Zhu Yu an den eigenen Körper nähen. Ein Austausch unter Ähnlichen? Ein Hinweis auf die Organverpflanzungen die zwischen Schwein und Mensch (wobei hier das Tier für den Menschen sterben muss und kein "Austausch" stattfindet)?
Ähnlichen Angriffen bis hin zur gerichtlichen Anklage war Valie Export aus-gesetzt, die in ihrer Aktion "Asemie oder die Unfähigkeit, sich durch Mienen-spiel ausdrücken zu können« von 1973 einen Wellensittich tötete.
Eine Beschreibung der Künstlerin:
"Auf einem podest wird ein vogel mit dünnen schnüren befestigt. ich knie vor dem vogel auf dem podest und übergieße ihn mit flüssigem, heißem wachs, dann übergieße ich meine füße und meine linke hand mit wachs, die rechte hand wird durch das umstoßen des wachsbehälters mit dem kopf über-gossen. ich befreie mich dann durch ausschneiden der hände mit einem messer, welches ich mit dem mund vom podest aufgehoben habe und zum ausschneiden, vom mund gehalten, benütze. rund um das podest ist ein kreis von nägeln gezogen. auf der zivilisatorischen hochebene des podestes spielt sich das drama des menschen als bildner ab." (Beschreibung von VALIE EXPORT in: http://www.urban-infill.com/asemie2.htm, 20.02.2004 )
1977 wurde VALIE EXPORT wegen des Vergehens der Tierquälerei bei der Aktion »Asemie« zu einer Geldstrafe verurteilt.
Der vorliegende Text ist als Sammlung zu verstehen. Es liegt mir fern, zu beurteilen, wie weit es legitim ist, ein "wehrloses" Tier in eine bildnerische Arbeit innerhalb der Performance Art einzugliedern. Wenn sich nach der Lektüre der Sammlung noch immer Fragen stellen, dann erscheint mir dies dem Medium der Performance Art angemessen. Die Bilder und Asso-ziationen, die während und nach einer Performance in den Köpfen der Betrachter entstehen, haben ihren Wert gerade in ihrer Mehrdeutigkeit und nachwirkenden Intensität. Moralische Positionen einzunehmen und diese in pädagogischer Form darzubieten, gehört meiner Auffassung nach, jedoch nicht in die Performance Art.