ALTE KNOCHEN BRECHEN NICHT
Das junge Berner Performance-Festival "Bone" ging in die dritte Austragung. Mit den bestandenen Performance-Künstlern von "Black Market International", die sich zum Gütertausch nach längerer Pause wiedermal in Bern getroffen haben.

Ach, wie wir jetzt alle Milch trinken. Immer, überall, in jedem Lebensalter. Wie die Karate-Kuh, die Verbotene. Wegen der Osteoporose: Des Schwunds des festen Knochengewebes bei Zunahme der Markräume (Duden), also wegen Knochen-brüchigkeit. Und jetzt kommt "Black Market International" nach Bern. Das hat zwar wenig mit Mark-raum, dafür um so mehr mit Markt-raum zu tun. Und mit der Milchwerbung im erweiterten Allgemeinen eben so viel, als dass die Protagonisten dieser Performergruppe für schweizerische Kunststipendien mehrheitlich nicht mehr meldeberechtigt wären. Weil eben - zu alt.

Aber: die der Milch Entwachsenen haben vielen Milchbärten doch so einiges voraus: Jahrelange Schwarzmarkterfahrung beispielsweise. Also Erfahrungen aus den Zeiten vor der "New Economy", aus einer Zeit, wo die neuzeitliche Informations-Technologie anders hies, noch zu direkter Kreativität inspirierte und nur vor Ort einsetzbar war – also beim Tausch, bei der direkten Begegnung. Erfahrungen aus den Zeiten vor dem "E-Commerce", aus einer Zeit, wo Gelingen oder eben Misslingen einer Tauschaktion auch körperliche Auswirkungen hatte und nicht bloss Zahlen auf dem Kontostand veränderte. Im Falle von Black Market International – Erfahrungen wie im Western: Als Begegnung und Tausch von Mann zu Mann.

Männergruppe...
Das mit der Männergruppe, das habe sich einfach so ergeben – meint Norbert Klassen, Schweizer Mitglied der Performergruppe und weist darauf hin, dass bei den Schwarzmarkttreffen immer wieder auch Frauen als Gäste eingeladen wurden. Mit dem Faktum "Männergruppe" kommt man beim Versuch, das Spezifische dieser Künstlergruppe zu verstehen, also nicht weiter. Genausowenig mit der Frage, was denn nun in Bern gezeigt werden soll. Klassen zuckt mit den Achseln und meint lakonisch, dass auch dies sich ergeben werde...

Was auf den ersten Blick als Konzeptlosigkeit erscheinen könnte, ist bei näherem Hinsehen eben gerade das Konzept. Warum? Zunächst das Naheliegende: Die Performergruppe Black Market ist international. Die acht Künstler (vgl. Kasten) stammen aus fünf europäischen Ländern und kommen ein-, zweimal pro Jahr für gemein-same Veranstaltungen zusammen. Der planerische Aufwand ist folglich hoch, der Wille zur gemeinsamen Arbeit damit auch.

Dann aber: Von einer Gruppe im eigentlichen Sinn des Wortes kann nicht gesprochen werden. Eine Struktur für kontinuierliche Gruppenarbeit gibt es nicht, genausowenig existieren gruppentypi-sche Reglementierungen oder Hierarchien. Die gruppenspezifische soziale Funktion zur Stärkung des Einzelnen spielt nicht. Und auch als Seilschaft für die persönliche Karriere taugt die Verbindung eher wenig.

... mit Wahlverwandtschaft
Was ist Black Market dann aber? Boris Nieslony, Gründungsmitglied von Black Market umschreibt die gemeinsame Arbeitsbasis als "Assoziation": "Jeder bringt die Position oder Haltung ein, in der er sich gerade befindet. Dann fährt jeder wieder nach Hause zurück, macht seinen eigenen Kram weiter und muss sehen, wie er damit zurechtkommt".

Dieser Rahmen lässt unbenannt, um was es bei Black Market im Kern geht: Um die Begegnung von in Wahlverwandtschaft verbundenen Performern. Und das altertümliche Wort "Wahlverwandtschaft" ist dann auch der Schlüssel zur Tatsache, warum diese Begegnungen zur künstlerischen Tat gereichen. Alle Beteiligten sind Könner auf einem Gebiet, dass die Performance, die Musik oder das Theater umfassen kann. Und die Begegnungen werden zum Ereignis, weil die künstlerische Haltung, die ähnliche "Wellenlänge", sie zum mentalen Netzwerk Black Market zu-sammen fasst. Erarbeitet werden bei den spärlichen Treffen aber weder Stücke noch Themen, die Performances gleichen eher szenischen Collagen, die aus der Arbeitssituation "Begegnung" her-aus entstehen.

Kasten
Die Gruppe Black Market International besteht aus folgenden Performance-Künstlern: Jürgen Fritz (Deutschland), Norbert Klassen (Schweiz), Alastair MacLennan (Grossbritannien), Helge Meyer (Deutschland), Boris Nieslony (Deutschland), Jacques van Poppel ( Holland), Marco Teubner (Deutschland), Roi Vaara (Finnland).

Marcus Moser, Dezember 2000
Mit freundlicher Genehmigung des Autors